Die Wunder des Nordens

von Olaus Magnus

 

Verlag: Die Andere Bibliothek

 

Leseprobe

Kapitel 21.3:

Von den erschröcklichen Meerwundern im norwegischen Meer.

Es seind sehr seltzame Fisch in dem nordwegischen Meer eines unbewußten Nammens (wiewol man dafür hellt, daß sie auß dem Geschlecht der Wallfisch sein). Die seind eynes grewlichen Ansehens, daß man sich darvor entsetzet, und je mehr man sie ansihet, je mehr man sich darob förchten und verwundern muß. Denn sie seind eyner erschröcklichen Gestallt, haben viereckige Köpff, sein allenthalben mit harten, spitzigen und langen Hörnern umbgeben, wie eyn außgeropffter Baum an seinen Wurtzeln sihet. Die Länge ist zehen oder zwölff Ellenbogen, die Farb schwartz und haben sehr grosse Augen, welche wol acht oder zehn Elenbogen in der Weite umb sich haben. Der Augapffel ist eynes Elenbogen groß, rot und feuerfarb, der von ferrem von den Fischern zu Nachts nit anders anzusehen ist, dann als wann es eyn Feuer were. Unden am Kin haben sie lang und dick Haar wie die Genßfedern abhin hangen, als wann es eyn Bart were. Der überig Leib aber ist, sovil die Grösse des Kopffs belanget (welcher viereckig ist) sehr gering, dieweil er nit über die 14 oder 15 Elenbogen lang in der Länge hat. Eynes auß diesen Meerwundern ist so starck, daß es vil großer Schiff, ob sie schon mit mannlichen und starcken Schiffleuthen gar wol besetzet sein, leichtlich umwerffen und versencken kan, dessen uns denn die lang und schön Epistel Erichen von Fachelndorff, Ertzbischoffes zu Nidrosen (welches des gantzen Königreichs Nordwegen Haubtstatt ist) an Leonem den Zehenden, Bapst zu Rom, Anno 1520 geschriben und samt eynem dürren Haubt von eynem andern Meerwunder überschicket, genugsame Zeugniß gibet.

(Ausschnitt aus: Olaus Magnus – Die Wunder des Nordens; Die Andere Bibliothek)

 

Inhalt

Olaus Magnus gibt den damaligen Menschen in Mittel- und Südeuropa einen Einblick in die sehr unbekannte und befremdliche Welt Nordeuropas – und dies zu einer Zeit, in der zum einen die Neue Welt entdeckt wurde und somit sehr viele neue Eindrücke und Dinge auf die Menschen zukamen, zum anderen die Reformation eine starke Veränderung in der Theologie – und somit auch im sozialen Bereich – brachte. Er beschreibt in einzelnen Büchern und Kapiteln den Menschen die Völker des Nordens, erklärt deren Kultur und Lebensweise, gibt Aufschluss über die Geschichte, er zeigt Einblicke in Politik und Kriegsgeschehen und berichtet über den Rohstoffreichtum der Region sowie die Produktivität in der Landwirtschaft. Des Weiteren informiert er den Leser über die Naturbegebenheiten der Länder, gibt Kenntnisse aus Geographie und Geologie zum Besten und informiert über die unterschiedlichen Tiere – von den großen Meerwundern bis hin zu dem Gewürm. 

Des Weiteren ist dem Buch die von Olaus Magnus gezeichnete Nordeuropa-Karte, die „Carta Marina“ beigefügt, deren einzelne Kartenteile in vielen Details beschrieben werden.

 

Biographie

Olaus Magnus (1490–1557) ist der letzte katholische Erzbischof von Uppsala gewesen.

 

Bewertung

Das Buch ist durch seine alte Sprache nicht unbedingt einfach zu lesen (oder zumindest etwas gewöhnungsbedürftig),  aber dafür umso informativer, da es in historischem Kontext eine authentische Beschreibung Nordeuropas wiedergibt. Der Leser befindet sich somit fast 500 Jahre in der Vergangenheit und erlebt einen Reisebericht, der einen manchmal in Erstaunen versetzt über das Wissen von Dingen, die man zu dieser Zeit nicht unbedingt erwartet hat. Im Gegensatz dazu wird er auch vielfach zum Schmunzeln gebracht über Ansichten und Beschreibungen, die einem einfach zu komisch vorkommen und die die (aus heutiger Sicht) zum Teil naive als auch abergläubische Gedankenwelt der damaligen Menschen widerspiegeln.

Ich finde das Buch sehr interessant und habe es gerne gelesen. Für diejenigen, die sich wirklich für Geschichte interessieren, ist das Buch empfehlenswert. Der Leser sollte allerdings im Klaren sein, dass es sich bei diesem Buch um einen Bericht handelt und nicht um einen Roman. Eine Handlung wird er als solche nicht finden. Wer also eher auf historische Romane steht, ist mit diesem Buch wohl nicht so gut bedient.