KOLOSSER

Kolosser Kapitel 1 Teil V

Kolosser 1.21-23

Und euch, die ihr weiland Fremde und Feinde waret durch die Vernunft in bösen Werken, nun hat er euch versöhnet mit dem Leibe seines Fleisches durch den Tod, auf dass er euch darstelle heilig und unsträflich und ohne Tadel vor ihm selbst; so ihr anders bleibet im Glauben gegründet und fest, und unbeweglich von der Hoffnung des Evangeliums, welches ihr gehöret habt, welches gepredigt ist unter aller Kreatur, die unter dem Himmel ist, welches ich, Paulus, Diener worden bin.

 

Und euch, die ihr weiland Fremde und Feinde waret durch die Vernunft. – Nun wendet Paulus die allgemeine Lehre auf die Kolosser selbst an, damit sie sich umso mehr der Undankbarkeit schuldig fühlen, wenn sie sich von Christo ab zu schwindelhaften und neuen Lehren hinführen lassen. Zugleich erinnert er sie an ihre eigene Erfahrung, damit sie die besprochene Wohltat der Erlösung in ihrem eigenen Leben recht anerkennen: Ihr selbst seid ein Beweis dieser Gnade, welche, wie ich predige, durch Christus den Menschen zuteil wart. Denn ihr waret Fremde oder Entfremdete, nämlich von Gott; ihr waret Feinde, nun aber seid ihr in Gottes Liebe aufgenommen. Warum? Weil der durch Christi Tod versöhnte Gott wieder euer Freund geworden ist. Was also bisher vom Vater ausgesagt war, wird jetzt auch auf Christus gewendet. Von Gott entfremdet waren wir, wie Paulus kräftig hinzufügt, durch die Vernunft, also durch und durch und mit dem ganzen Dichten des Herzens, nicht etwa nur teilweise und nur vermöge niederer sinnlicher Begierden, wie eine oberflächliche Theologie lehrt. Vielmehr, was uns Gott verhasst machte, hatte unseren ganzen Sinn in Besitz genommen. Der ganze Mensch steht in Zwietracht mit Gott und ist ihm feind. Wir werden als Kinder des Zorns geboren, und die ganze Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft wider Gott (siehe Römer 8.7).

In bösen Werken. – Zum Beweise des im Herzen verborgenen Hasses gegen Gott müssen nun seine Früchte dienen. Denn weil die Menschen, solange sie nicht öffentlich überführt sind, sich von aller Schuld freizusprechen suchen, sorgt Gott schon dafür, dass man ihre innere Gottlosigkeit aus ihren äußeren Werken ablesen könne, wie dies in Römer 1.19 ff. ausführlich gezeigt wird. Was wir aber hier von den Kolossern hören, geht auch uns an; denn unsere Natur ist die gleiche. Der einzige Unterschied ist der, dass die einen sogleich von Mutterleibe an berufen werden, und Gott ihrer Bosheit wehrt, in offenbaren Sündenfrüchten hervorzubrechen, andere aber erst, nachdem sie ein gut Teil ihres Lebens auf Irrwege gegangen sind, zur Herde zurückgeführt werden. Des Versöhners Christus aber bedürfen wir alle, weil wir der Sünde Knechte sind; und wo Sünde ist, da ist auch Feindschaft zwischen Gott und dem Menschen.

„Leib seines Fleisches“ scheint ein nicht gerade sehr sinnvoller Ausdruck. Paulus bedient sich desselben aber, um anschaulich zu machen, dass der Sohn Gottes unsere Natur, ja denselben niedrigen, irdischen, aller Schwachheiten unterworfenen Fleischesleib getragen hat, wie wir Menschen, damit Er unser Mittler würde. Der Beisatz, dass Christus uns durch den Tod versöhnt hat, erinnert von neuem an das Opfer. Der Sohn Gottes musste nämlich Mensch und unseres Fleisches leibhaftig werden, damit Er unser Bruder würde; Er musste aber auch in Seinem Sterben zum Sühnopfer werden, damit Er den Vater mit uns versöhnte.

Auf dass er euch darstelle heilig und unsträflich und ohne Tadel vor ihm selbst. – Damit wird das zweite Hauptstück unseres Heiles bezeichnet, die Erneuerung des Lebens. Denn in diesen beiden Stücken besteht vornehmlich die ganze Wohltat unserer Erlösung: In der Vergebung der Sünden und der Wiedergeburt durch den Heiligen Geist (Jeremia 31.33). Schon was wir bisher vernahmen war etwas Großes: Dass uns durch Christi Tod die Gerechtigkeit erworben ist, und wir durch die Tilgung unserer Sünden Gott angenehm sind. Jetzt aber hören wir, dass noch ein anderes herrliches Stück dazu kommt, nämlich die Gabe des Heiligen Geistes, durch welchen wir zum Ebenbilde Gottes erneuert werden. Und das ist aller Beachtung wert: Es wird uns die Gerechtigkeit aus Gnaden in Christus nicht zuteil, es sei denn, dass wir auch durch den Heiligen Geist zum Gehorsam der Gerechtigkeit wiedergeboren werden, wie es in 1. Korinther 1.30 heißt: Christus ist uns gemacht zur Gerechtigkeit und zur Heiligung. Jene erlange wir dadurch, dass uns Gott frei und umsonst annimmt, diese aber durch die Gnade des Heiligen Geistes, der uns zu neuen Menschen macht. Diese zweifache Gnadengabe ist unzertrennlich miteinander verbunden. Übrigens wollen wir nicht vergessen, dass die Heiligung in uns erst angefangen ist, auch von Tag zu Tag zunimmt, aber nicht eher zur Vollendung kommt, bis Christus zur Wiederherstellung aller Dinge erscheinen wird. Niemand träume von einer schon auf Erden erreichbaren Vollkommenheit, welche vor dem Gerichte Gottes standhalten und somit die Vergebung der Sünden aus freiem Erbarmen überflüssig machen könnte. Denn Paulus redet hier durchaus nicht von dem, was in dieser Welt schon erfüllt wird, sondern von dem Ziel unserer Berufung und von den Gütern, die uns Christus anbietet.

So ihr anders bleibet im Glauben gegründet und fest, und unbeweglich von der Hoffnung des Evangeliums. – Das ist eine Mahnung zur Beharrlichkeit, welche daran erinnert, dass alles, was wir an Gnade bisher erlangt haben, hinfällig sein wird, wenn wir nicht bei dem lauteren Evangelium bleiben. Denn wir sind noch auf dem Wege und haben das Ziel nicht erreicht. Was die Kolosser angeht, so wurde die Beständigkeit ihres Glaubens damals durch die Hinterlist der falschen Apostel gefährdet; darum schildert Paulus mit anschaulicher Wendung einen seiner selbst ganz gewissen Glauben, indem er sagt, dass man im Glauben gegründet und fest sein muss. Denn der Glaube ist nicht eine Vermutung, die allerlei Gründe wankend machen könnten, sondern er besitzt eine feste Beständigkeit, welche allen listigen Anläufen der Hölle Widerstand leistet. Paulus zeigt aber auch, wie der Glaube ohne stete Beziehung auf das Evangelium gar nicht zu denken ist: Im Glauben beständig werden wir sein, wenn wir unbeweglich von der Hoffnung des Evangeliums sind, d.h., wenn wir uns von der Hoffnung, die uns aus dem Evangelium entgegenleuchtet, nicht abbringen lassen. Denn wo Evangelium ist, das ist auch Hoffnung der ewigen Herrlichkeit. Doch vergessen wir nicht, dass die Sonne des Evangeliums in Christus beschlossen liegt. Darum warnt der Apostel vor jeglicher Lehre, welche von Christus abführt und der Menschen Herzen anderweitig gefangen nimmt.

Welches ihr gehöret habt. – Auch die falschen Apostel, welche Christus verstümmeln und zerreißen, pflegen sich stolz des Evangeliums zu rühmen. Das ist ein gewohnter Kunstgriff Satans, dass er durch vorgebliches Evangelium die Gewissen verwirrt und die Wahrheit des Evangeliums trübt. Darum versichert Paulus ausdrücklich das sei das echte und zweifellose Evangelium, welches die Kolosser gehört hatten, nämlich von Epaphras; und nun sollten sie ihr Ohr keinen widersprechenden Lehren leihen. Er fügt noch die Versicherung hinzu, es sei dies dasselbe Evangelium, welches auf dem ganzen Erdkreis gepredigt worden ist. Und das ist keine geringe Stärkung, zu hören, man stehe mit der ganzen Kirche in Übereinstimmung und folge keiner anderen Lehre als der, welche die Apostel ebenso verkündigt haben, und die überall Eingang gefunden hat. Eigentlich stützen will Paulus das Evangelium selbstverständlich nicht durch den Hinweis auf die allgemeine Zustimmung: Dann müsste es ja unglaubwürdig werden, wenn man es verachtet. Vielmehr schwebt ihm der Befehl Christi vor (Matthäus 16.15). Gehet hin und predigt das Evangelium aller Kreatur, der sich an eine Unsumme prophetischer Weissagungen anschließt, die sämtlich eine Ausbreitung des Reiches Christi über den ganzen Erdkreis in Aussicht nehmen. Paulus will also nichts anderes mit diesen Worten zeigen, als dass dieselben Lebensströme, die, von Jerusalem ausgehend, über den ganzen Erdkreis sich ergießen sollen, auch zu den Kolossern gekommen sind. Auch wir rühmen uns nicht umsonst und nicht ohne reiche Frucht und Tröstung, dasselbe Evangelium zu besitzen, welches nach dem Befehl des Herrn unter allen Völkern gepredigt und von allen Gemeinden angenommen worden ist, und das alle Frommen im Leben und im Sterben bekannt haben. Die Übereinstimmung der ganzen Gemeinde des Herrn, soweit sie diesen hohen Titel verdient, ist uns wahrlich keine geringe Hilfe, uns gegen alle die Angriffe zu wappnen, denen unser Glaube ausgesetzt ist.

Welches ich, Paulus, Diener worden bin. – Paulus redet auch von seiner Person, wenn es nötig ist. Denn wir müssen uns immer wohl hüten, uns nicht ohne Auftrag in das Lehramt einzudrängen. Er bezeugt also, um sein Recht und sein Ansehen zu wahren, dass ihm sein Amt befohlen ward. Dabei bringt er sein Apostelamt in eine derartig innige Verbindung mit dem Glauben seiner Leser, dass sie einen Eindruck davon gewinnen müssen, wie man mit seiner Lehre auch das Evangelium selbst verwerfen würde.