Kolosser Kapitel 1 Teil VI

Kolosser 1.24-29

Nun freue ich mich in meinem Leiden, dass ich für Euch leide, und erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an Trübsalen in Christo, für seinen Leib, welcher ist die Gemeinde, welcher ich ein Diener geworden bin nach dem göttlichen Predigtamt, das mir gegeben ist unter euch, dass ich das Wort Gottes reichlich predigen soll, nämlich das Geheimnis, das verborgen gewesen ist von der Welt her und von den Zeiten her, nun aber ist es offenbart seinen Heiligen, welchen Gott gewollt hat kundtun, welcher da sei der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden, welches ist Christus in euch, der da ist die Hoffnung der Herrlichkeit, den wir verkündigen, und vermahnen alle Menschen, und lehren alle Menschen mit aller Weisheit, auf dass wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu, daran ich auch arbeite und ringe, nach der Wirkung des, der in mir kräftiglich wirkt.

 

Nun freue ich mich. – Vorher hat Paulus sein Ansehen mit seiner Berufung zum Apostel begründet; jetzt aber betont er, was er für das Evangelium erduldet, damit seine Bande und Verfolgungen nicht zur Verminderung der Ehre seines Apostelamtes gereichen. Denn auch solche Anlässe missbraucht Satan, um die Knechte Gottes herabzusetzen. Zugleich ermutigt der Apostel die Kolosser durch sein Beispiel, sich durch Verfolgungen nicht erschrecken zu lassen, und hebt mit Nachdruck seinen Eifer hervor. Denn wahrlich, nicht mit einem alltäglichen Beweise bezeugt er seine Liebe gegen sie, wenn er ihnen versichert, dass er die Trübsale, welche er leidet, um ihretwillen mit Freuden erdulde. Woher aber diese Freude? Daher, dass er auf die Frucht sah, die daraus erwuchs. Paulus will sagen: Das Leiden für euch ist mir lieb, weil ich es nicht vergeblich erdulde – wie er auch an die Thessalonicher (1. Thessalonischer 3.7 f.) schreibt: Wir sind getröstet worden an euch, lieben Brüder, in aller unserer Trübsal und Not durch euren Glauben. Denn nun sind wir lebendig, wenn ihr stehet in dem Herrn.

Und erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an Trübsalen in Christo, für seinen Leib. – Damit gibt Paulus den Grund an, weshalb er sich im Leiden freut: Nämlich, weil er darin ein Genosse Christi ist. Nichts Seligeres aber kann man wünschen, als diese Gemeinschaft mit Christus (vergleiche Römer 8.17 f.). Zugleich spricht er damit den für alle Frommen gültigen Trost aus, dass sie in allen Trübsalen, zumal wenn sie um des Evangeliums willen leiden, teilhaftig sind des Kreuzes Christi, auf dass sie auch an der seligen Auferstehung teil haben. Ja, er versichert sogar, dass auf diese Weise vollgemacht werde, was an Trübsalen Christi noch fehle. Denn so heißt es in Römer 8.29: Welche er zuvor ersehen hat, die hat er auch verordnet, dass sie gleich sein sollen dem Ebenbild seines Sohnes, auf dass derselbige der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Auch wissen wir, dass zwischen dem Haupte und Seinen Gliedern eine solche Einheit besteht, dass der Name „Christus“ zuweilen den ganzen Leib umfasst. So beschließt Paulus in 1. Korinther 12.12 seine Rede von der Gemeinde damit, es sei bei Christus, d.h. aber in Christi Gemeinde ebenso, wie beim menschlichen Leibe. Wie also Christus einmal gelitten hat in Seiner eigenen Person, so leidet Er nun täglich in Seinen Gliedern, und so wird das Maß der Leiden vollgemacht, welches der Vater dem Leibe Christi nach Seinem Ratschluss verordnet hat. Eine zweite Erwägung, welche unserer Herzen in den Trübsalen stärken und trösten soll, ist diese: Durch Gottes Vorsehung ist es also verordnet und bestimmt, dass wir durch Erduldung des Kreuzes Christus gleichgestaltet werden und dass unsere Vereinigung mit Ihm sich auch hierauf erstreckt. Als dritten Grund seiner Freude fügt Paulus hinzu, seine Leiden seien segensreich nicht nur für wenige, sondern für die ganze Gemeinde. Vorher hatte er gesagt, er leide für die Kolosser, jetzt aber dehnt er dies weiter dahin aus: Die Frucht seiner Leiden komme der ganzen Gemeinde zu gut. Welche Frucht gemeint ist, zeigt Philipper 1.12. Das ist die einfachste und nächstliegende Erklärung. Paulus ist darum in seinen Verfolgungen fröhlich, weil er dafür hält (2. Korinther 4.10): Wir müssen das Sterben des Herrn Jesu an unserem Leibe umhertragen, auf das auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleische offenbar werde. Ebenso schreibt er in 2. Timotheus 3.11: dulden wir mit – mit Christus – so werden wir mit herrschen; sterben wir mit, so werden wir mit leben. Der Ausgang wird also glücklich und herrlich sein. Wir dürfen uns freilich nicht der Bedingung entziehen, welche Gott Seiner Gemeinde als den einzigen Weg zu diesem Ziele verordnet hat: Christi Glieder müssen innerlich mit ihrem Haupte zusammenstimmen. Darum sollen wir die Trübsale gern erdulden, weil sie allen Frommen nützlich sind und das Heil der ganzen Gemeinde fördern, indem sie die Lehre des Evangeliums verherrlichen. – Die römische Kirche missbraucht unsere Stelle, wenn sie derselben einen Beweis für die Ablasskraft des Blutes der Heiligen entnimmt. Man legt den Finger darauf, dass Paulus in seinen Trübsalen Sühneleiden sah, welche Christi Versöhnungswerk ergänzen sollen. Aber von dergleichen genugtuenden Leistungen ist hier nicht die Rede, sondern einfach davon, dass die Trübsale der Gläubigen, welche die Glieder ihrem Haupte ähnlich machen, den ganzen Leib der Gemeinde seiner Vollendung entgegenführen müssen. Dass jemand für die Gemeinde leidet, kann man in demselben Sinne sagen, als dass jemand für seine Brüder stirbt, wobei doch der Gedanke an eine Sühne zur Vergebung der Sünden ganz fernliegt. Und dass unser Wort in keinem anderen Sinne gemeint ist, ergibt der Zusammenhang. Fährt doch Paulus alsbald fort (in Vers 25), dass er ein Diener der Gemeinde geworden ist nach dem göttlichen Predigtamt, also nach seinem besonderen, ihm von Gott übertragenen Beruf. Dieser Beruf war aber nicht, die Gemeinde zu erlösen, sondern sie zu erbauen. In diesem Berufe hat Paulus, wie er an Timotheus schreibt (2. Timotheus 2.10), um der Auserwählten willen alles erduldet, damit sie die Seligkeit erlangen möchten. Ähnlich heißt es auch in 2. Korinther 1.4, dass der Apostel alles gerne erdulde zur Tröstung und zum Heil seiner Gemeinde.

Welcher ich ein Diener worden bin. – Hier nennt sich Paulus einen Diener der Gemeinde, anderswo (1. Korinther 4.1) einen Diener Gottes, und vorher einen Diener des Evangeliums. Die Apostel dienen nämlich Gott und Christus, indem sie beider Herrlichkeit ausbreiten; sie dienen der Gemeinde zu ihrem Heile, und dienen auch dem Evangelium, das in ihren Händen liegt. Die Art des Dienens ist ihn diesen Ausdrücken wohl eine verschiedene; aber das Eine kann ohne das Andere nicht stattfinden. Ausdrücklich fügt Paulus hinzu unter euch, damit die Kolosser wissen, dass sein Amt sich auch auf sie erstreckt.

Dass ich das Wort Gottes reichlich predigen (oder erfüllen) soll. – Das ist also der Zweck seines Dienstes, dass Gottes Wort wirksam werde – und dies wird es, wenn man es in Gehorsam aufnimmt. Die Wirkung des Evangeliums besteht ja darin, dass es sich als eine Kraft Gottes erweist, die da selig macht alle, die daran glauben (Römer 1.16). Gott also gibt Seinem Worte Kraft und Frucht durch die Apostel. Wenngleich die Predigt selbst, abgesehen von ihrem Erfolge, eine „Erfüllung“ des Wortes ist, so beweist doch erst die Frucht, dass der Same nicht vergeblich ausgestreut worden ist.

Das Geheimnis, das verborgen gewesen ist von der Welt her und von den Zeiten her. – Welcher Ruhm des Evangeliums, dass es ein wunderbares Geheimnis Gottes heißen darf! Nicht ohne Grund erhebt Paulus das Evangelium so oft mit den höchsten Lobsprüchen; denn er sah, dass es den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit war (1. Korinther 1.23). Auch wir sehen heutzutage, wie verhasst es den Heuchlern ist, und wie schnöde es von der Welt verachtet wird. Um daher solche ungerechte und verkehrte Urteile zurückzuweisen, rühmt der Apostel die Herrlichkeit des Evangeliums, so oft er dazu Gelegenheit hat und bedient sich dazu je nach den Umständen mannigfaltiger Beweisgründe. Hier nennt er es ein erhabenes Geheimnis, das verborgen gewesen ist von der Welt her. Sachlich ist nun ohne weiteres durchsichtig, was hier vom Evangelium gesagt wird (vergleiche Römer 16.25 und Epheser 3.9). Warum aber grade der Ausdruck „Mysterium“ oder „Geheimnis“ gewählt ward, bleibt noch fraglich. Einige denken dabei lediglich an die Berufung der Heiden, denen bis dahin die Teilnahme am Heil für alle Zukunft abgeschnitten schien und über welche nun ganz unvermutet Gottes Gnade sich ergoss. Bei genauerer Betrachtung wird man diesem ohne Zweifel richtigen Grunde aber noch zwei andere verzuordnen haben. Vor allem nämlich ist von einem „Geheimnis“ die Rede, weil Gott vor dem Kommen Christi Seine Kirche unter den dunklen Hüllen der Worte und Zeremonien regiert hatte, während Seine ganze Herrlichkeit erst plötzlich durch die Lehre des Evangeliums geoffenbart wurde. Weiter aber: Sah man vorher nichts als äußerliche Darstellungen, so ist jetzt Christus erschienen, welcher die bis dahin verborgene volle Wahrheit mit sich bringt. Der dritte Grund ist, wie gesagt, dass der ganze Weltkreis, der bisher Gott entfremdet war, nun zur Hoffnung des Heils berufen ist und allen Menschen dasselbe Erbe des ewigen Lebens angeboten wird. Aus allen diesen Gründen müssen wir dies Geheimnis, das Paulus predigt, verehren und anbeten, wie sehr es auch von der Welt verachtet oder gar verlacht wird.

Nun aber ist es offenbart. – Damit niemand den Namen „Geheimnis“ missdeute, als spräche er von einer bisher geheimen und unbekannten Sache, fügt Paulus hinzu, jetzt sei es öffentlich bekannt gemacht, damit es den Menschen kund würde. Was also seiner Natur nach ein Geheimnis war, ist nun nach Gottes Willen offenbar gemacht worden; darum darf uns seine Verborgenheit nicht mehr abschrecken, nachdem Gott die Enthüllung vollzogen hat. Das gilt freilich nur seinen Heiligen; denn nicht allen wird Gottes Hand also sichtbar, dass sie Seinen Ratschluss verstehen.

Welchen Gott gewollt hat kundtun. – Hier legt Paulus der Verwegenheit der Menschen Zaum und Zügel an, damit sie sich nicht erkühnen, mehr zu wissen oder zu erforschen als nötig ist, sondern lernen, sich damit genügen zu lassen: Also hat es Gott gefallen! Denn Gottes Wille muss uns als Grund vollauf genügen. Doch will unser Satz vor allem dem Ruhm der Gnade Gottes dienen: Paulus gibt zu verstehen, dass die Menschen Gott auch nicht den geringsten Grund dargeboten haben, ihnen an diesem Geheimnis Anteil zu geben, sondern dass nur Gottes freier Wille ihn dazu bewogen hat. Denn Paulus pflegt gern Gottes freien Gnadenwillen allem Verdienst der Menschen und allen außer ihm liegenden Gründen scharf entgegenzustellen.

Welcher da sei der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden. – Übersehen wir nicht, mit welch erhabenen Worten Paulus die Herrlichkeit des Evangeliums rühmt. Wusste er doch, dass die übergroße Undankbarkeit der Menschen nur zu geneigt ist, diesen unermesslichen Schatz der göttliche Gnade trotz seiner überragenden Herrlichkeit achtlos beiseite liegen zu lassen oder gar zu verwerfen. So begnügt sich der Apostel nicht, kurzweg von dem „Geheimnis“ zu reden, sondern erinnert außerdem an den herrlichen Reichtum desselben, der sich namentlich unter den Heiden offenbarte. Denn was ist wunderbarer, als dass die Heiden, welche so viele Jahrhunderte lang im Tode lagen, so dass ihr Zustand völlig hoffnungslos schien, auf einmal den Kindern Gottes zugezählt wurden und das Erbe der Seligkeit empfingen?

Welches ist Christus in euch, der da ist die Hoffnung der Herrlichkeit. – Was von den Heiden im Allgemeinen gilt, wird nun insbesondere auf die Kolosser angewendet, damit sie die ihnen widerfahrene Gnade Gottes umso gründlicher erkennen und um so tiefer verehren lernen. Der Ausdruck besagt, dass jenes ganze Geheimnis, von welchem die Rede war, in Christi Person befasst ist. Wer also Christus hat, greift in Ihm alle Schätze der göttlichen Weisheit, wie wir alsbald ausdrücklicher hören werden (Kolosser 2.3). Im Blick auf die Kolosser fügt Paulus hinzu in euch, weil sie jetzt Christus besitzen, von dem sie vor kurzem noch so fern als möglich waren. Endlich nennt er Christus die Hoffnung der Herrlichkeit, damit sie wissen, nichts fehle ihnen an der völligen Seligkeit, seitdem sie an Christus Anteil erlangt haben. Das aber ist ein wunderbares Wort Gottes, dass in irdenen und zerbrechlichen Gefäßen die Hoffnung der himmlischen Herrlichkeit wohnt.

Den wir verkündigen, und vermahnen alle Menschen, und lehren alle Menschen. – Endlich bezieht Paulus auf seine Predigt, was er vorhin von dem wunderbaren und anbetungswürdigen Geheimnis Gottes sagt. Diese Aussprache dient also einer genaueren Ausführung dessen, was er soeben schon bezüglich des ihm im Haushalt Gottes angewiesenen Postens andeutete (Vers 25), und somit zur Verherrlichung seines Apostelamtes und zur Behauptung seiner Lehrautorität. Nachdem er nämlich das Evangelium hochgepriesen hat, fügt er nun hinzu, es sei ebenjenes göttliche Geheimnis, welches er verkündige. Und nicht ohne Absicht hat er vorhin gesagt, Christus sei dieses Geheimnisses Inbegriff und Krone, damit man wisse, dass über Christus hinaus nichts Vollkommeneres gelehrt werden kann. Auch die folgenden Worte sind mit großem Nachdruck gesprochen: Paulus unterstellt alle Menschen seiner Lehrbefugnis, so dass keiner, wie weise er auch sei, sich seiner Unterweisung entziehen darf. Er will sagen: Gott hat mich in das hohe Amt gesetzt, ein öffentlicher Verkündiger Seines Geheimnisses zu sein, auf dass die ganze Welt ohne Ausnahme von mir lerne.

Mit aller Weisheit, auf dass wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu. – D.h. seine Lehre führt den Menschen zur vollkommenen Weisheit, dass ihm nichts fehlt. Und dies betont er immer, dass seine wahren Schüler auch vollkommen gemacht werden (vergleiche 1. Korinther 2.6). Kann es aber etwas Besseres geben, als eine Veranstaltung, welche die höchste Vollkommenheit verleiht? Zu finden ist das freilich alles nur in Christo: So soll niemand begehren, etwas zu wissen, als Christus allein. Aus dieser Stelle können wir ersehen, dass wahre Weisheit nur diejenige ist, die uns vor Gott vollkommen darstellt, und zwar nirgends anders als in Christus.

Daran ich auch arbeite und ringe, nach der Wirkung des, der in mir kräftiglich wirkt. – Noch zwei Stücke nennt der Apostel, welche zur Verherrlichung seines Amtes und seiner Lehre dienen müssen. Zuerst muss sein Eifer zum Beweise dienen, dass es sich um eine schwierige Sache handelt: Eine Aufgabe aber, die solchen Kraftaufwand erfordert, muss eine erhabene sein. Noch durchschlagender wirkt der zweite Hinweis, dass in des Apostels Amt die Wirkung Gottes kräftiglich erscheine. Dabei schwebt nicht bloß der Erfolg der Predigt vor (obgleich auch darin Gottes Segen sich zeigt), sondern vor allem die wirksame Geisteskraft, durch welche Gott sich deutlich zu erkennen gab. Denn sein eigenes Ringen und Regen, welches das menschliche Maß übersteigt, schreibt Paulus mit Recht der Kraft Gottes zu, dessen mächtiges Wirken darin klar zu sehen war.