KOLOSSER

Kolosser Kapitel 2 Teil I

Kolosser 2.1-5

Ich lasse euch aber wissen, welch einen Kampf ich habe um euch und um die zu Laodicea und alle, die meine Person im Fleisch nicht gesehen haben, auf dass ihre Herzen ermahnet und zusammengefasst werden in der Liebe und zu allem Reichtum des gewissen Verstandes, zu erkennen das Geheimnis Gottes, des Vaters und Christi, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. Ich sage aber davon, auf dass euch niemand betrüge mit vernünftigen Reden. Denn ob ich wohl nach dem Fleisch nicht da bin, so bin ich doch im Geist bei euch, freue mich und sehe eure Ordnung und euren festen Glauben an Christus.

 

Ich lasse euch aber wissen. – Paulus bezeugt seine Liebe zu den Kolossern, um desto mehr vertrauen und Eingang bei ihnen zu gewinnen; denn denen glauben wir ja gerne, die wir auf unser Heil bedacht wissen. Und es ist kein geringer Beweis seiner Liebe, dass er mitten im Tode, d.h. in Todesgefahr um sie besorgt war. Um aber die Größe seines Eifers und seiner Sorge noch mehr hervorzuheben, nennt er sie einen Kampf. Diese Wendung soll zugleich ersehen lassen, dass des Apostels Amt bis zu den Kolossern reicht; denn woher anders eine solche ängstliche Besorgnis um ihr Heil als daher, dass der Heiden Apostel auch ihm Unbekannte mit liebender Sorge umfassen muss? Weil aber gewöhnlich zwischen Unbekannten keine Liebe waltet, so wählt die Liebe einen Ausdruck, welcher diese persönliche Bekanntschaft auf Grund des Augenscheins als mehr oder weniger gleichgültig erscheinen lässt. Des Apostels Person im Fleisch haben freilich die Kolosser und andere Gemeinden ihrer Gegend nicht gesehen; aber unter Knechten Gottes gibt es ein anderes Sehen, welches die Liebe entzündet, als bloß das von Angesicht.

Auf dass ihre Herzen ermahnet (oder getröstet) werden. – Jetzt spricht Paulus aus, was er seinen Lesern wünscht, und beweist damit seine Liebe als eine wahrhaft apostolische. Denn nichts anders, versichert er, liege ihm am Herzen, als dass sie im Glauben und in der Liebe eng verbunden seien. Er wird also nicht von einem verkehrten Eifer getrieben, solche Sorge für die Kolosser und andere auf sich zu nehmen, sondern, weil die Art seines Amtes es also erfordert. Die Tröstung, zu welcher die Christen kommen sollen, ist hier die wahre Ruhe der Seelen, deren sie aber nur dann teilhaftig werden, wenn sie in Liebe und Glauben zusammengefasst, das heißt innig verbunden sind. Hieraus erhellt, wo das höchste Gut liegt und worin es besteht: Nämlich, wenn wir, in einem Glauben übereinstimmend, auch durch gegenseitige Liebe miteinander verbunden sind. Das, sage ich, ist eines frommen Herzens wahre Freude, das ist seliges Leben. Wie aber hier die Liebe aus ihrer Wirkung gepriesen wird, weil sie die Herzen der Frommen mit wahrer Freude erfüllt, so wird auch ihr Ursprung gezeigt in den Worten zu allem Reichtum des gewissen Verstandes. Denn das Band heiliger Einigkeit ist die Wahrheit Gottes, die man einmütig ergreift und festhält. Aus dieser Quelle fließen der Friede und die Eintracht untereinander. Weil aber die meisten, mit einem geringen Anfang zufrieden, nur eine unklare und kraftlose Kenntnis haben, spricht Paulus von „Reichtum“ des Verstandes oder der Erkenntnis. Er meint damit ein volles und klares Verständnis. Darin liegt zugleich eine Mahnung, nach dem Maße der Erkenntnis auch in der Liebe zuzunehmen. Soll aber der Glaube „gewiss“ sein, so wird er vom bloßen Meinen unterschieden. Denn erst der erkennt Gott wirklich, der nicht in Zweifel wankt und schwankt, sondern in seiner Überzeugung fest und unerschütterlich dasteht. Ohne diese Festigkeit und Beständigkeit lässt sich der Glaube so wenig denken, wie die Sonne ohne Licht und Wärme.

Zu erkennen das Geheimnis Gottes. – Damit empfangen wir eine Erklärung, was für ein Wissen gemeint ist, nämlich kein anderes als die Erkenntnis des Evangeliums. Auch die falschen Apostel bringen ihre Irrlehren als angebliche Weisheit zu Markte; Paulus aber hält die Kinder Gottes bei dem Evangelium allein fest, damit sie nichts anderes zu wissen begehren. Warum er das Evangelium „Geheimnis“ nennt, haben wir bereits in Kolosser 1.26 dargelegt. Hier aber lernen wir, dass das Evangelium weder mit unserer Vernunft noch mit der Schärfe des menschlichen Denkens, sondern allein im Glauben erfasst werden kann, sonst bleibt es uns verborgen. Unter „Geheimnis Gottes“ werden wir hier ein solches zu verstehen haben, dessen Gegenstand Gott ist, der sich also vermittelst desselben offenbart. Darauf deutet die Verbindung: Geheimnis Gottes und Christi. Denn Gott kann nur in Christus erkannt werden, und wiederum, wo man Christus erkennt, muss man notwendig auch den Vater erkennen (vergleiche auch 1. Johannes 2.23). Wer also außer Christus etwas von Gott zu wissen meint, erdichtet sich an Gottes Statt einen Götzen. Andererseits kennt der Christus nicht, welcher durch Ihn sich nicht zum Vater führen lässt und so in Ihm den ganten Gott ergreift. Diese Stelle ist auch ein beachtenswerter Beweis für die Gottheit Christi und Seiner Wesensgleichheit mit dem Vater. Denn was Paulus von der Erkenntnis Gottes gesagt hat, bezieht er ebenso auf den Sohn wie auf den Vater, woraus folgt, dass der Sohn und der Vater ein und derselbe Gott sind.

In welchem (Christus, nicht etwa in welchem Geheimnis) verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. – Wir sind also nur dann wahrhaft weise, wenn wir Christus recht erkennen – und außer Ihm etwas wissen wollen ist Torheit. Denn da in Ihm der Vater Sich völlig geoffenbart hat, will der über Gott hinaus weise sein, der an Christus allein sich nicht genügen lässt. Wollte man aber ja unseren Satz an das Wort „Geheimnis“ anknüpfen, so wäre der Sinn: Alle Weisheit der Frommen ist im Evangelium zusammengefasst enthalten, welches uns Gott dem Vater in Seinem Sohne enthüllt. Die Schätze der Weisheit heißen verborgen, weil sie nicht mit hellem Glanze hervorleuchten, sondern unter der Niedrigkeit und verächtlichen Einfalt des Kreuzes gleichsam verhüllt sind. Denn das Wort vom Kreuz ist der Welt immer eine Torheit (1. Korinther 1.18). – Zwischen Weisheit und Erkenntnis ist hier kein wesentlicher Unterschied, sondern der doppelte Ausdruck hebt nur nachdrücklich hervor, dass nirgendwo anders als in Christus wahres Wissen, echte Bildung, Lehre und Weisheit zu finden sind.

Ich sage aber davon, auf dass euch niemand betrüge. – Weil die Menschenpfündlein einen Schein der Weisheit haben, wie wir nachher sehen werden, müssen die gläubigen Herzen davon fest überzeugt sein, dass allein die Erkenntnis Christi mehr als genug ist. Und dies ist wahrlich der Schlüssel, der allen Irrtümern die Tür verriegeln kann. Denn aus welchem anderen Grunde haben sich die Menschen in so viele gottlose Meinungen, soviel Götzendienerei und so viele törichte Spekulationen verwickelt, als weil sie, die Einfachheit des Evangeliums verachtend, nach höherer Weisheit zu trachten wagten? Wenn daher der Apostolische Verfasser des Hebräerbriefes einmal die Gläubigen ermahnt (Hebräer 13.8 f.), sich nicht mit mancherlei und fremden Lehren umtreiben zu lassen, so gründet er diese Zusprache zuerst auf das Fundament: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“. Dadurch bezeugt er, dass, wer in Christus bleibt, außer aller Gefahr steht; Leute aber, denen Christus nicht genügt, sich allem Trug und Irrtum aussetzen. So will hier Paulus alle, die nicht betrogen werden wollen, mit demselben Grundsatz schützen: Es stehe einem Christenmenschen nicht zu, außer Christus etwas zu wissen. Wenn es auch noch so herrlich glänzt, so wird es doch nichts wert sein. Kurz, keine Überredungskunst wird die Herzen derjenigen, die sich Christus ganz ergeben haben, nur um eines Fingers Breite von Ihm abwenden. Diese Stelle ist sicher sehr beherzigenswert; denn wie sie allen gottlosen Lehren damit begegnet, dass die Menschen nichts wissen sollen außer Christus, so wird damit auch das ganze Papsttum über den Haufen geworfen, das nur auf der Unkenntnis Christi sich auferbaut.

Denn ob ich wohl nach dem Fleisch nicht da bin, so bin ich doch im Geist bei euch. – Dem Einwand, aus so weiter Ferne sei eine Ermahnung wenig nütze, begegnet Paulus mit der Versicherung, seine Liebe zu den Gemeinden mache, dass er im Geiste bei ihnen weile und wie ein persönlich Anwesender beurteile, was ihnen förderlich sein. Und indem er ihren gegenwärtigen Stand lobt, ermahnt er sie zugleich, sich darin nicht wankend machen zu lassen.

Ich freue mich und sehe, das heißt, weil ich sehe. Der Apostel ruft seinen Lesern zu: Fahret fort, wie ihr angefangen habt! Ich weiß, dass ihr bisher den rechten Weg gewandelt seid; denn die räumliche Entfernung von euch verhindert mich nicht, euch mit den Augen des Geistes zu begleiten.

Eure Ordnung und euren festen Glauben an Christus. – In diesen beiden Dingen steht die Vollkommenheit der Gemeinde: In der Ordnung untereinander und im Glauben an Christus. Zur „Ordnung“ gehört neben der Eintracht auch ein guter Wandel und die gesamte Zucht. Der Glaube empfängt ein Lob wegen seiner Festigkeit und Beständigkeit; denn wo das Herz wankt und zwischen verschiedenen Meinungen hin- und herschwankt, da ist nur ein wesenloser Schatten des Glaubens.