BÜCHERECKE

Im Westen nichts Neues

von Erich Maria Remarque

 

Verlag: KIWI Paperback

 

Leseprobe

Kat überrascht Tjaden, wie er von einem Blindgänger in aller seelenruhe die Ringe abzuklopfen versucht. Bei jedem andern wäre das Ding explodiert, Tjaden hat wie stets Glück.

Einen ganzen Vormittag spielen zwei Schmetterlinge vor unserm Graben. Es sind Zitronenfalter, ihre gelben Flügel haben rote Punkte. Was mag sie nur hierher verschlagen haben; weit und breit ist keine Pflanze und keine Blume. Sie ruhen sich auf den Zähnen eines Schädels aus. Ebenso sorglos wie sie sind die Vögel, die sich längst an den Krieg gewöhnt haben. Jeden Morgen steigen Lerchen zwischen der Front auf. Vor einem Jahr konnten wir sogar brütende beobachten, die ihre Jungen auch hochbekamen.

Vor den Ratten haben wir Ruhe im Graben. Sie sind vorn – wir wissen, wozu. Sie werden fett; wo wir eine sehen, knallen wir sie weg. Nachts hören wir wieder das Rollen von drüben. Tagsüber haben wir nur das normale Feuer, so dass wir die Gräben ausbessern können. Unterhaltung ist ebenfalls da, die Flieger sorgen dafür. Täglich finden zahlreiche Kämpfe ihr Publikum.

Die Kampfflieger lassen wir uns gefallen, aber die Beobachtungsflugzeuge hassen wir wie die Pest; denn sie holen uns das Artilleriefeuer herüber. Ein paar Minuten nachdem sie erscheinen, funkt es von Schrapnells und Granaten. Dadurch verlieren wir elf Leute an einem Tag, darunter fünf Sanitäter. Zwei werden so zerschmettert, dass Tjaden meint, man könne sie mit dem Löffel von der Grabenwand abkratzen und im Kochgeschirr beerdigen. Einem andern wird der Unterleib mit den Beinen abgerissen. Er lehnt tot auf der Brust im Graben, sein Gesicht ist zitronengelb, zwischen dem Vollbart glimmt noch die Zigarette. Sie glimmt, bis sie auf den Lippen verzischt.

Wir legen die Toten vorläufig in einen großen Trichter. Es sind bis jetzt drei Lagen übereinander.

(Ausschnitt aus: Erich Maria Remarque – Im Westen nichts Neues;  Verlag Kiepenheuer & Witsch)

 

Inhalt

Erster Weltkrieg – Westfront: Paul Bäumer meldet sich während des Krieges als einer von vielen Freiwilligen zur Infanterie; als einer aus seiner gesamten Schulklasse. Anfangs noch frohen Mutes, erfährt er schon während seiner Ausbildung im Trainingslager die ersten Eindrücke dessen, was auf ihn zukommen wird: Krieg, Tod, Hunger, Armut, Elend…  Nachdem er an die Front verlegt wird und sein Leben in den Schützengräbern verbringt, muss er mit ansehen, wie seine Freunde, Kameraden und Mitschüler einer nach dem anderen fallen. Bei seinem Heimaturlaub muss er die illusionäre Euphorie der älteren Generation auf der einen Seite und die Armut und die Angst der Angehörigen auf der anderen Seite erleben, was ihn noch mehr mit der ‚heilen Welt’ entfremdet. Er verkürzt seinen Fronturlaub und geht zurück in die Schützengräben, um dort eine neue, noch jüngere Generation an Soldaten zu erleben, die nun dasselbe durchmachen und erleben, wie er selber vor langer Zeit – bis er schließlich selber an einem Oktobertag erschossen wird: Er fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen nichts Neues zu melden.

 

Biographie

Erich Maria Remarque wurde 1998 in Osnabrück geboren. 1916 wurde er eingezogen und an der Westfront schwer verwundet. Nach dem Krieg arbeitete er neben Gelegenheitsarbeiten sowohl als Aushilfslehrer als auch als Redakteur in Hannover und Berlin. 1932 emigrierte er in die Schweiz, 1941 in die USA. Seine Bücher Im Westen nichts Neues sowie Der Weg zurück wurden 1933 von den Nationalsozialisten verboten, er selbst 1938 ausgebürgert. 1947 wurde Remarque amerikanischer Staatsbürger, er starb 1970 in der Schweiz.

 

Bewertung

Ich denke, dieses Buch zu bewerten ist schwer – es wirkt eher wie ein Kriegstagebuch denn ein Buch. Der Realismusgrad und die Nüchternheit, mit denen Remarque das Geschehen darstellt, ist zum Teil sehr erschreckend, teilweise zeigt es die Hoffnungslosigkeit, dann wieder die Menschlichkeit der handelnden Personen, die selber Opfer des Systems sind. Ich möchte es mit dem Intro des Buches sagen:

Dieses Buch soll weder eine Anklage
noch ein Bekenntnis sein.
Es soll nur den Versuch machen,
über eine Generation zu berichten,
die vom Kriege zerstört wurde –
auch wenn sie seinen Granaten entkam.

 

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