ABRAHAM-PREDIGTEN

3. Predigt über Melchisedek

Die dritte Predigt über Melchisedek,
in welcher der Gebrauch und das Recht des Zehnten und auch des Eides behandelt wird

 

1. Mose 14. 20 - 24

Und demselben (Melchisedek) gab Abram den Zehnten von allem. Da sprach der König von Sodom zu Abram: Gib mir die Leute; die Güter behalte dir. Aber Abram sprach zu dem König von Sodom: Ich hebe meine Hände auf zu dem Herrn, dem höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, dass ich von allem, was dein ist, nicht einen Faden noch einen Schuhriemen nehmen will, dass du nicht sagest, du habest Abram reich gemacht; ausgenommen, was die Jünglinge verzehrt haben; und die Männer Aner, Eskol und Mamre, die mit mir gezogen sind, die lass ihr Teil nehmen.

 

 

TEIL I

Es wurden gestern ausführlich dargelegt, dass Melchisedek, von dem hier die Rede ist, Gleichnis und Bild unseres Herrn Jesu Christi gewesen ist, sofern er höher gestellt war als Abram, der Vater der Kirche, und dass es deswegen im Psalm heißt, der kommende Erlöser werde nicht nur König, sondern auch Priester nach der Ordnung Melchisedeks sein. Wir haben auch gezeigt, warum all das erzählt wird, wozu es uns dient und welchen Nutzen wir davon haben. Endlich ist auch der Segen erklärt worden. Abram ist Kraft des Amtes und Standes Melchisedeks gesegnet worden, damit deutlich werde, dass alle unsere Gebete vor Gott unrein wären und nichts erlangen könnten, wenn nicht Jesus Christus für uns einträte, wie ihm denn auch dieses Amt in der Heiligen Schrift zugeschrieben wird.

Jetzt wird nun gesagt, Abram habe Melchisedek den Zehnten von allem gegeben. Das zeigt noch einmal, dass Melchisedek eine priesterliche Würde besaß. So hat es auch der Apostel nicht vergessen (Hebräer 7.1, 4ff). Wir können nicht sicher feststellen, ob das Wort von der Beute oder gar von dem Besitz Abrams zu verstehen ist. Denn da er nichts zu seinem Vorteil bekommen hat, so scheint es kaum glaublich, dass er Melchisedek das angeboten hat, was er nicht für sein Eigentum hält. Aber es war etwas völlig Verschiedenes und es war zweierlei, Gott zu danken oder das Gut für sich zu verwenden, um sich damit zu bereichern. Wie dem auch sein mag, es genügt, uns an das Sichere zu halten, dass nämlich Abram zum Ausdruck brachte, er anerkenne Melchisedek als einen Priester Gottes. Denn wenn er den Götzen gedient hätte, oder auch wenn er sich selbst eine Würde angemaßt hätte, die ihm nicht zukam, so hätte Abram übel getan, ihm den Zehnten darzubringen, denn wir wissen, den Götzen opfern heißt ihnen huldigen und Gott verleugnen. So muss dieses Angebot Abrams Zeugnis und Anerkennung für die Priesterschaft Melchisedeks gewesen sein. Deshalb sagt auch der Apostel in Hebräer 7.9-10, wo er das alte, unter dem Gesetz dargebrachte Opfer mit dem unseres Herrn Jesu Christi vergleicht, Levi sei gezehntet worden, der damals noch in den Lenden Abrams war, weil er von seinem Stamme war, d.h. er sei diesem Recht unterworfen worden. Zwar könnte man dasselbe von Juda sagen, von dem unser Herr Jesus Christus abstammt. Aber die Lösung dieser Schwierigkeit ist sehr leicht. Melchisedek kann nämlich nicht von unserem Herrn Jesus Christus getrennt werden, weil er Ihn darstellt und weil seine ganze Bedeutung darauf beruht, dass er das Bild Jesu Christi ist. Der Apostel zeigt also mit gutem Grund, dass der, der nach dem Gesetz das Recht auf den Zehnten hat, trotzdem dem Melchisedek untergeordnet worden ist. So muss daraus folgen, dass unser Herr Jesus Christus viel höher steht als Aaron und alle seine Nachfolger, obgleich sie damals gleichsam von den gewöhnlichen Menschen abgesondert wurden. Wenn der Priester die heiligen Kleider anzog (vgl. 3. Mose 16.32), so sollte damit gezeigt werden, dass er gleichsam ein Engel Gottes sei. Er durfte seiner Majestät nahe kommen, da er der Mittler war, um die Ungerechtigkeiten und Übertretungen des Volkes auszulöschen. Obgleich also das alles der Fall war, so zeigt der Apostel nichtsdestoweniger, dass unser Herr Jesus Christus ihn an Würde weit übertroffen hat, und dass Er über alle Abbilder des Gesetzes erhoben werden muss, ja, dass Er deren Wirklichkeit und Inhalt ist. Wenn man alle die Schatten nähme, die einige Zeit lang in Gebrauch gewesen sind, so wäre doch alles nutzlos, wenn man dadurch nicht zum wahren Beschützer kommen könnte. Achten wir also wohl darauf: Als Abram Melchisedek den Zehnten von allem angeboten hat, geschah das, um damit zu zeigen: Obgleich Gott zwar später in Seinem Volk ein Priestertum aufrichten musste, wurde dadurch die Priesterschaft unseres Herrn Jesu Christi nicht herabgesetzt, die bereits in der Person Melchisedeks abgebildet und schon damals aufgerichtet war.

Was überdies das Opfer des Zehnten für die Priester betrifft, so sehen wir, dass schon Abram es dargebracht hat, ehe es ein geschriebenes Gesetz gab, und es ist kein Zweifel, dass der Geist Gottes ihn dazu geführt und ihm den Anlass dazu gegeben hat. Denn Mose erzählt hier nicht etwas willkürlich und aufs Geratewohl Unternommenes, sondern er erklärt, wie Gott das Amt Melchisedeks bestätigt hat, da es Ihm gefallen hat, ihn zu Seinem Priester zu machen, und wie Abram ihn als solchen anerkannt hat. Aber wir können daraus nicht entnehmen, dass es damals ein allgemeines Gesetz darüber gegeben hat, und dass die Gläubigen sich damals schon verpflichtet hatten, den Zehnten zu bezahlen, ehe Gott es in Seinem Gesetz angeordnet hat. Er hat das nicht bloß dazu getan, damit man Ihm mit den Gütern der Erde Seine Verehrung bezeige und bekenne, dass sie bloß aus Seiner Güte stammen. Es geschah nicht bloß dazu, dass die Diener des Altars, d. h. die, die im Tempel dienten, ihre Nahrung hätten, sondern es geschah, weil sie aus dem Geschlecht Abrams waren. So gehörte ihnen ein Teil des Landes, und sie sollten in den Besitz desselben kommen, wie es Abram gesagt worden war: Dein Same soll das Land besitzen. Levi sollte ein Führer im Hause Abrams sein, und wird davon ausgeschlossen (Josua 13.33), und das Haus Josef erhält dafür zwei Häupter, nämlich Ephraim und Manasse. So wird Levi seines Erbteils beraubt, das ihm doch von Gott schon zugewiesen worden war. Deshalb werden seine Nachkommen aus dem Zehnten bezahlt.