Ernest Hemingway
Leseprobe
Robert Jordan beobachtete Pablo, und seine rechte Hand tastete sich allmählich immer tiefer, um bereit zu sein, falls es nötig sein würde, halb in der Hoffnung, es würde nötig sein (in dem Gefühl vielleicht, dass das das Einfachste und Bequemste wäre, obwohl er nicht verderben wollte, was so gut begonnen hatte, denn er wusste, wie schnell eine Familie, ein Clan, eine Bande sich im Streit gegen den Fremden kehren kann, aber zugleich überlegend, dass das, was seine Hand anrichten könnte, jetzt, da das alles passiert war, vielleicht das Einfachste und Beste und chirurgisch Gesündeste wäre), und er sah zugleich Pablos Weib dastehen und erröten, stolz, brav, ehrlich, als sie hörte, wie die Männer sich zu ihr bekannten.
„Ich bin für die Republik“, sagte Pablos Frau zufrieden. „Und die Republik ist die Brücke. Nachher haben wir Zeit für andere Pläne.“
„Und du!“ sagte Pablo erbittert. „Du mit dem Kopf eines Zuchtstiers und dem Herz einer Hure! Du glaubst, es wird ein Nachher geben, wenn die Brücke vorbei ist? Du hast eine Ahnung, was passieren wird.“
„Was passieren muss“, sagte Pablos Weib. „Was passieren muss, wird passieren.“
„Und es macht dir nichts aus, die wie ein Vieh hetzen zu lassen, wegen dieser Geschichte, die uns gar nichts einbringt? Oder zu krepieren?“
„Nichts“, sagte Pablos Weib. „Und versuch nicht, mich zu schrecken, Feigling.“
„Feigling“, sagte Pablo bitter. „Für euch ist jeder ein Feigling, der etwas von Taktik versteht. Der im Voraus kennt, wohin eine dumme Sache führt. Man ist nicht feige, wenn man weiß, was dumm ist.“
(Ausschnitt aus: Ernest Hemingway – Wem die Stunde schlägt; Rowohlt Taschenbuch Verlag)
Inhalt
Während des Spanischen Bürgerkrieges: Robert Jordan lehrt eigentlich an einer amerikanischen Universität Sprachen, doch jetzt schon seit Monaten auf Seiten der Republikaner hinter den feindlichen Linien als Sprengmeister gegen die Faschisten agierend, erhält den Auftrag, im Hinterland eine strategisch wichtige Brücke an einem gewissen Zeitpunkt zu sprengen. Mit Anselmo, seinem spanischen Führer, gelangt er zu der kleinen Guerilla-Bande, die ihn bei seinem heiklen Auftrag unterstützen soll – und sehr schnell merkt er, dass ihm Gegenwind in Form des Bandenführers Pablo entgegenweht. Unterstützung erhält er dagegen von Pablos Frau, der auch der Rest der Bande folgt. Und dann ist da noch seine Liebe zu dem Mädchen Maria… und so arbeitet Robert Jordan auf die Sprengung der Brücke hin, gegen viele Widrigkeiten kämpfend, wie alltägliche Launen, technische Probleme, faschistische Streifscharen oder gar das Wetter – immer im Wechsel zu den Gedanken früherer Erlebnisse und Erzählungen und der Liebe zu Maria…
Biographie
Ernest Hemingway wurde 1899 in Oak Park/Illinois als zweites von insgesamt sechs Kindern geboren. Nach dem Besuch der High-School und ersten Erfahrungen als Lokalreporter meldete es sich mit 18 Jahren als freiwilliger Transportfahrer des Roten Kreuzes und wurde in Italien stationiert wo er während der 2. Piave-Schlacht schwer verwundet wurde. Nach dem Krieg in Paris als Korrespondent tätig, zog er 1928 mit seiner zweiten Frau nach Key West, ab 1939 lebte er dann mit seiner dritten sowie späteren vierten Frau bis kurz vor seinem Freitod 1960 auf Kuba, erst 1959 siedelte er aufgrund gesundheitlicher Gründe in die USA zurück.
Hemingways Schaffen ist stark autobiographisch: Es fließen sowohl seine Teilnahmen an den Weltkriegen ein (während des zweiten Weltkriegs war Ernest Hemingway als Kriegsreporter tätig); viele seiner Romane und Erzählungen handeln von seinen Leidenschaften für Hochseefischerei, Großwildjagd, Stierkampf und Boxen; sind geprägt von persönlichen Erfahrungen sowie familiären Verhältnissen; und auch die Orte, an denen der gelebt und gearbeitet hat, fließen in vielfältiger Form ein…
Bewertung
Wem die Stunde schlägt gehört zu meinen absoluten Lieblingsbüchern – der geschichtliche Kontext und die daraus folgende die Dramaturgie in der Handlung, die gesamte erzählerische Tiefe, die psychologisch detaillierte Darstellung der Charaktere – alles das machen das Buch zu einem spannenden und vielschichtigen Lese-Erlebnis: Man mag das Buch nicht weglegen, sondern möchte immer weiterlesen – und man ärgert sich, wenn die letzte Seite vor einem liegt und man es zu Ende gelesen hat…